Sonntag, 4. März 2007

Ecken und Kanten, Wälder und Felder

Neulich am Telefon:
ich: "Naja, und dadurch dass ich soweit weg bin seh ich natürlich beides schärfer von außen - die schlechten und die guten Seiten Deutschlands"
anderes Strippenende: "Welche guten Seiten???"

Sicherlich ist Deutschland das Land der Pessimisten schlechthin, und bestimmt ärgern sich immer alle über die hohe Arbeitslosenzahl, die Politiker und die viel zu lauten Nachbarn sowieso. Und ich bin nun nicht die Heimatliebende überhaupt. Aber Fakt ist, Deutschland hat nicht nur schlechte Seiten und ich möchte aufgrund dieser öffentlichen Darstellungsmöglichkeit einmal kurz darauf hinweisen. Danach können wir ja gerne wieder über die hohen Benzinpreise meckern und trotzdem weiter Auto statt Fahrrad fahren.
Aber fällt den Deutschen eigentlich manchmal auf, wie gut es ihnen geht, mit all der Ehrlichkeit um sie herum? In Deutschland werde ich nicht überall gefragt, wie´s mir geht ohne es zu meinen. Und wenn etwas scheiße ist, dann ist es eben offen und ehrlich Mist, aber wenn etwas gut ist, dann ist es eben auch wirklich gut.
Die Sprache ist ein wichtiger Bestandteil dieser Ehrlichkeit - deutsche Rapper spielen einzigartig mit ihr und die Menschen geben ihr wirklichen Wert. Wenn in Deutschland jemand sagt "ich liebe dich" oder "ich werde dich vermissen" dann meint er es mit großer Wahrscheinlichkeit auch, weil er es nicht innerhalb der ersten zwei Tage sagt an denen er dich überhaupt kennenlernt. Diese Ehrlichkeit schafft meiner Meinung nach vor allem in Freundschaften eine viel tiefere Verbindung und Vertrauensbasis, als zum Beispiel in Übersee. Hier ist jeder dein Freund und mancher unter ihnen ein Feind.
Weiter gehts mit der Kultur - als in Europa die französische Revolution stattfand wurde Amerika gerade gegründet - sagt das nicht alles über eine Kultur aus? Autoren und Komponisten von Weltruhm, Thomas Mann und Hermann Hesse muss zwar nicht jeder gut finden, aber Goethes "Faust" (zumindest Teil I) wird weltweit gelesen. Und das ist, unabhängig davon, ob die Deutschstunden langweilig waren oder nicht, ein Prachtwerk.
Gut, okay, die deutsche Geschichte würde beim Langstreckenlauf ein wenig hinter der französischen liegen und wahrscheinlich verlieren - aber so schlecht wie sie oft dargestellt wird ist sie nicht. Sie ist eher vielseitig und vor dem Hintergrund von gescheiterten Revolutionen, Kleinstaaterei, Bismarck, dem ersten Weltkrieg, einer gescheiterten Demokratie, Hitler, dem zweiten Weltkrieg, einer freien sozialstaatlichen Republik und einer pseudokommunistischen Diktatur.... lässt sich nur sagen: ein Glück, dass Deutschland nicht schon längst zwischen Polen und Frankreich aufgeteilt wurde. Hey, wir leben noch!!
Und das sogar ziemlich gut. In welchem anderen Land können sich Studenten 10 Jahre Studium der südanglistischen Scherenkunst erlauben, ohne dass sich jemand beschwert? Wo gibt es denn bitte noch fünf Millionen Arbeitslose, die trotzdem noch eine Wohnung und zu essen haben? Ich möchte wagen zu behaupten, dass das Renten/Gesundheitssystem und sowieso alles zwar im Arsch ist - aber selbst damit leben wir noch erstaunlich gut. (und welches Land hat bitte KEINE Schulden???)
Und zu guter Letzt noch das simpelste: die Landschaft. Mecklenburger Seenplatte, Alpen, Nordseestrände, Dübener Heide, Harz... alles Gegenden in denen man immer wieder Urlaub machen kann. So und jetzt hört auf zu nörgeln, ihr habt alle Strom, fließend warmes und kaltes Wasser, ein Dach und was zu Essen (und ja, auch das deutsche Essen ist gut - man denke nur an die Schokolade hmm...).
Das Leben ist gut, auch in Deutschland. Wenn da nur die Deutschen nicht wären, die das gar nicht merken.

1 Kommentar:

starfighter hat gesagt…

Der Text ist echt klasse. Ich meine, so sehr man sich in Deutschland diese Dinge auch bewusst machen möchte: Solange man keinen direkten Vergleich mit dem Ausland hat, weiß man die guten Seiten Deutschlands nicht hoch genug zu würdigen. Von daher danke ich dir für den Einblick in deine Außenperspektive^^
Du bist Deutschland.